05.03.2015

Heilberufe und Pflege, insbesondere Psychotherapeutin in Ausbildung (PiA)

Auch Psychotherapeutinnen in Ausbildung (PiA) haben Anspruch auf angemessene Vergütung!

Wer sich in Deutschland für die Weiterbildung zum Psychotherapeuten entscheidet, muss diese selbst bezahlen. Anders als bei Ärzten überlässt der Staat die Ausbildung von Psychotherapeuten privaten Instituten. Darüber hinaus: Eine angehende Psychotherapeutin wird im praktischen Jahr ihrer Ausbildung in der Regel nicht oder kaum vergütet. Die Therapeuten rechnen die Stunden ihrer PiAs gleichwohl fröhlich mit den Patienten oder den Versicherungen ab. Ein geldwerter Vorteil des Praxeninhabers ist kaum zu leugnen. 

Und dennoch soll der PiA keinen Anspruch auf Vergütung haben?

Diese Frage beschäftigt zunehmend auch die Rechtsprechung. So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom Urteil vom 10. Februar 2015 – 9 AZR 289/13 entschieden, dass die Frage, ob die Psychotherapeutin in Ausbildung (PiA) für ihre praktische Tätigkeit von mindestens 1200 Stunden an einer psychiatrischen klinischen Einrichtung nach § 2 Abs. Abs. 2 Nr. 1 PsychTh-APrV (sog. Klinikjahr) ein Entgelt beanspruchen kann, weder in der Ausbildungsverordnung PsychTh-APrV noch in dem zugrunde liegenden PsychThG noch in anderen Gesetzen geregelt ist. Mit dem Argument der fehlenden Regelung haben die Platzhirsche bisher regelmäßig ihre Zahlungspflicht verneint.

Seit der Entscheidung des BAG vom 10. Februar 2015 – 9 AZR 289/13 – ist dieser Form der Ausbildung (manche sagen: Ausbeutung) ein Riegel vorgeschoben.

Selbst wenn ein unentgeltliches Praktikum vereinbart wird, kann in entsprechender Anwendung von § 612 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Vergütung bestehen. Dies gilt auch dann, wenn - wie im vom BAG entschiedenen Fall - durch § 7 PsychThG - die Anwendung des Berufsbildungsgesetzes und damit der Anspruch auf angemessene Vergütung nach § 26 iVm. § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG ausgeschlossen ist. Voraussetzung für die Anwendung des § 612 BGB ist nur, dass eine Vereinbarung über die Vergütung der versprochenen Dienste fehlt oder die Vereinbarung über die Unentgeltlichkeit der zu erbringenden Dienste wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig ist. Selbst wenn die Parteien in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Ableistung eines unentgeltlichen Praktikums vereinbart haben, kann in entsprechender Anwendung des § 612 Abs. 1 BGB eine Vergütungspflicht für bestimmte Dienstleistungen bestehen.

In der Entscheidung vom 10. Februar 2015 – 9 AZR 289/13 –hat as BAG die zwischen den Parteien ge-troffene Abrede über ein unentgeltliches Tätigwerden der Klägerin als sittenwidrig und rechts-unwirksam angesehen (§ 138 BGB), weil die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in erheblichem Umfang eigenständige und für das beklagte Klinikum wirtschaftlich verwertbare Leistungen erbracht hat, für die das Klinikum ansonsten bezahlte Arbeitskraft eines Psychothe-rapeuten oder Psychologen hätte einsetzen müssen.

Das BAG hat der PiA daher die aus § 612 BGB eingeklagten 8 mal € 1.000,00 zugesprochen

Wir beraten bei der Vertragsgestaltung zwischen Therapeut/ Praxis auf der einen und dem PiA auf der anderen Seite. Ein fairer, die Interessen beider Seiten berücksichtigender Vertrag ist immer möglich. Nach Abschluss der Ausbildung ist die Versuchung da, mit dem nachträglichen Einfordern der angemessenen Vergütung ein Startkapital für die eigene Praxis zu erwirtschaften. Wir beraten bei der Abwehr und der Durchsetzung solcher Ansprüche. Wir beraten aber auch und gern bei allen anderen arbeitsrechtlichen Konstellationen und Prob-lemen der Heilberufe und Pflege, wie z.B. bei Kündigung, der betrieblichen Mitbestimmung, Regelung der Arbeitsleistung, Arbeitsschutz und Dienstplangestaltung oder der Frage, in wel-chem Umfang es bei mobilen Pflegekräften zulässig ist, die GPS-Daten des Fahrzeugs zu erfas-sen und zu verwenden.